Familienunternehmen sind das Rückgrat unserer heutigen Wirtschaft und Gesellschaft. Mehr als 90 Prozent der deutschen Unternehmen sind in Familienbesitz. Es gibt kaum ein anderes Land mit einer so soliden Basis an Unternehmern. Aber auch in Deutschland gibt es nur wenige Unternehmen, die auf eine so lange Tradition zurückblicken können wie The Coatinc Company (TCC), ein international tätiges Unternehmen der Oberflächentechnik, das aus Siegen stammt und immer noch dort ansässig ist. Seine Wurzeln reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück, lange vor Beginn der industriellen Stahlproduktion.
500 Jahre TCC-Geschichte ist zugleich auch die Geschichte eines halben Jahrtausends Metallbe- und -verarbeitung im Siegerland. Die Geschichte zeigt, wie ein Werkstoff in außergewöhnlicher Weise zur Entwicklung der Region beigetragen hat und wie sich die Metallbe- und -verarbeitung zu einem wesentlichen Wirtschaftszweig in dieser "Kinderstube des Bergbaus" entwickelte.
Das Siegerland ist seit langem vom Erzbergbau und der Erzverarbeitung geprägt und gilt als eine der ältesten Bergbauregionen Europas; Spuren des Bergbaus finden sich bereits bei den Kelten (500 v. Chr.). Später waren es die Unternehmerfamilien der Region, die den Bergbau zu einem innovativen Wirtschaftszweig ausbauten. Ein Know-how-Transfer über die Jahrhunderte hinweg ist aber nur möglich, wenn man sich mit der eigenen Geschichte auseinandersetzt.
sagt Paul Niederstein, Geschäftsführer von TCC. Ein Buchprojekt seines Vaters Klaus Niederstein hat ihn 2017 dazu bewogen, sich mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen: "Unsere Familie hat eine lange Geschichte und war lange Zeit unternehmerisch tätig. Literatur dazu findet sich nicht nur in unserem eigenen Familienarchiv, sondern auch in den Archiven anderer Unternehmen und in den Stadtarchiven von Siegen, Kreuztal und anderen Städten."
Als wichtigste Quelle für Niedersteins Suche nach den eigenen Vorfahren entpuppte sich ein besonderes Geschenk aus dem Jahr 1918: die "Geschichte der Familie Dresler", ein Buch, das Emmy Dresler ihrem Vater Heinrich Adolf Dresler zum 85. Geburtstag im damaligen Familiensitz, der Villa in Dreslers Park in Kreuztal, schenkte. Das Buch beschreibt detailliert die Geschichte ihrer Vorfahren, von der ersten Generation bis zu Emmys Vater.
Um sein Werk wieder zu vervollständigen und mit allen Informationen bis heute zu ergänzen, beauftragte Paul Niederstein 2018 einen Historiker mit weiteren Recherchen. Ein Blick in das Deutsche Geschlechterbuch, ein genealogisches Nachschlagewerk für nicht-anhängige Familien, machte schnell klar, dass The Coatinc Company auf eine jahrhundertelange Geschichte in der Stahlindustrie zurückblicken kann.
Der erste Funke sprang über, als Paul Niedersteins Vorfahre, der Stahlschmiedemeister Heylmann Dresseler, 1502 einen "Feuerschilling" für die Benützung des städtischen Kesselhauses bezahlte. Schmiede standen damals in hohem Ansehen, denn Eisen und Stahl wurden für alle Alltagsgegenstände der damaligen Zeit benötigt. Sieben Generationen später besaß der erfolgreiche Eisenschmied bereits Anteile an mehreren Eisenhütten, und die Familie wurde mit jeder Generation einflussreicher.
Ab der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts entwickelte sich die Stahlindustrie zu einem wichtigen Wirtschaftszweig. Johann Heinrich Dresler II., der 1745 in Sieghütte geboren wurde, investierte stark in die Eisen- und Stahlverarbeitung. Er war schon früh am Wachstum der jungen Industrie beteiligt und damit auch eine treibende Kraft der Industrialisierung der Region: Neben Anteilen am Sieghütter Hammer besaß er ein fürstliches Monopol auf die Produktion von Kleineisen- und Stahlmanufakturen und revolutionierte mit modernen Webstühlen die damals im Siegerland sehr große Textilbranche.
Die Dreslers prägten ihre Heimatstadt auch politisch. So stellte die Familie über 200 Jahre lang, von der fünften bis zur zehnten Generation, den Bürgermeister der Stadt Siegen. Ende des 19. Jahrhunderts wurde Heinrich Adolf Dresler, damals Gesellschafter und Geschäftsführer der Siegener Verzinkerei Actiengesellschaft (später SAG), in den Reichstag gewählt. Seine Tochter Luise Dresler heiratete den evangelischen Pfarrer und Superintendenten Alfred Emil Niederstein. Aus dieser Ehe ging ein neuer Zweig des Stammbaums hervor: der 1901 geborene zweite Sohn Werner Niederstein, der 1923 als junger Mann in die SAG eintrat.
1945 wurde Werner Niederstein alleiniger Geschäftsführer der Siegener Actiengesellschaft und nach dem Zweiten Weltkrieg von der alliierten Besatzungsmacht auch zum Präsidenten der IHK ernannt. Er baute die geschäftlichen Aktivitäten stetig aus. Unter seinem Sohn Klaus Niederstein begann später die Internationalisierung des Unternehmens.
Heute wird The Coatinc Company von Paul Niederstein, Vorstandssprecher und Hauptgesellschafter, geleitet, wobei der Hauptsitz des Unternehmens immer in Siegen geblieben ist. Mittlerweile umfasst die Gruppe 32 Standorte und mehr als 2.200 Mitarbeiter, darunter alle Beteiligungen in Europa, der Türkei, Mexiko und Kalifornien.
"Als Unternehmen und als Familie haben wir ein tiefes Gefühl für unsere Geschichte und ein tiefes Wissen über Stahl, den Werkstoff, auf den wir uns seit über 500 Jahren spezialisiert haben. Aber wir sind auch tief verwurzelt in unserer bodenständigen, einzigartigen, schrulligen und rauen Region". sagt Paul Niederstein. "Hier finden wir all die Werte, die uns tagtäglich Orientierung geben und die unser Bestehen über so lange Zeit gesichert haben. Darüber hinaus orientieren wir uns an christlichen Grundwerten, die sich über Jahrhunderte bewährt haben."
Intensive Forschungsarbeit hat dazu geführt, dass The Coatinc Company seit kurzem offiziell bei der Stiftung Familienunter- nehmen" als ältestes Familienunternehmen Deutschlands gelistet ist.